Friedensforschung mit der Maus

Friedensforschung mit der Maus

Mittwoch, 26. April 2017

Wehrwirtschaft und die Idee vom totalen Krieg

1936 veröffentlichte  Prof. Dr. Guido Fischer seine Abhandlung 
Wehrwirtschaft, Ihre Grundlagen und Theorien, Verlag von Quelle & Meyer Leipzig.

Auszüge

Der Krieg der Zukunft ist der totale Krieg, der das ganze Volksleben in all seinen Einzelteilen berührt, der an keinem im Volke vorübergeht.

Wehrphysik und Wehrchemie haben alle neuzeitlichen Errungenschaften der Wehrmacht und ihrer Kriegsführung zur Verfügung zu stellen. Umgekehrt benötigt die Wehrmacht selbst Sonderentwicklungen auf chemischem und physikalischem Gebiet, um ihre Sonderaufgaben erfüllen zu können. Aufgabe der theoretischen und angewandten Wissenschaft ist dabei, diese Notwendigkeiten praktisch zu verwirklichen. Würden hier die Spezialisten der Wehrmacht nicht auf die praktische Mitarbeit aller einschlägigen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Stellen ihres Landes rechnen können, so vermöchte die Wehrmacht nicht auf der breiten Erfahrung des ganzen Volkes aufzubauen, wie es der totale Krieg verlangt. Gerade auf diesem Gebiet wird die gegenseitige Arbeitsgemeinschaft zwischen Wehmacht und Wissenschaft und Praxis zur gegenseitigen Befruchtung und Weiterentwicklung beitragen. Aufgabe der Wehrphysik und Wehrchemie ist es aber außerdem, überall dort, wo die heimatliche Rohstoffversorgung nicht genügt, durch Ergänzungs- und Kunststoffe das eigene Land für den Notfall stärker vom Auslande unabhängig zu machen.

Auch auf dem Gebiete der Wehrtechnik ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Wehrmacht und Wissenschaft und Praxis notwendig. Unter Wehrtechnik darf nicht nur die Anwendung der Waffentechnik durch den Soldaten verstanden werden, sie umfaßt vielmehr auch die technische Sonderentwicklung auf allen Gebieten der Produktion aller Produktions- und Verbrauchsgegenstände, die irgendwie militärisch verwendet werden können. Die Sonderaufgaben der kriegsmäßigen Verwendung stellen an Maschinen, Wehrmachtsgeräte usw. erhöhte Anforderungen hinsichtlich Dauerhaftigkeit, Leistungs- und Verwendungsfähigkeit, die im zivilen Gebrauch nicht ohne weiteres notwendig sind. Diese Wehrleistungen kriegsmäßig zu entwickeln, ist die wichtige Aufgabe der Wehrtechnik. Auch hier muß der Militärspezialist eng mit den entsprechenden Wirtschaftskreisen zusammenarbeiten.

Es genügt nicht, Wehrwirtschaft nur aus der Gefahr eines kommenden Krieges erklären zu wollen. Der totale Krieg ist nicht irgendeine Endgröße im politischen Denken. Der totale Krieg muß vielmehr als der Ausdruck einer neuen politischen und sozialen Entwicklungsstufe im Völkerleben gewertet werden. Damit ist die Brücke von den neuen Anforderungen der Wehrwirtschaft zu den alten Bedingungen einer früheren Friedenswirtschaft geschlagen. Wehrwirtschaft ist heute die neue Form der Friedenswirtschaft, wie sie durch die strukturelle Veränderung im politischen und sozialen Denken der Gegenwart bedingt ist.

Der früher selbsttätig wirkende Wirtschaftsausgleich der liberalistischen Wirtschaftsform ist dieser Strukturänderung nicht mehr gewachsen. Nur durch einen planmäßigen, staatlich geleiteten Wirtschaftsumbau kann man diesen Strukturverschiebungen gerecht werden.

Der Staat beansprucht für sich nur die Lenkung der Wirtschaft in der staatspolitisch notwendigen Richtung, während er die Wirtschaftsinitiative und Ausführung der einzelnen Wirtschaftsbeschlüsse der freien Entschlußkraft des einzelnen und der freien Privatwirtschaft überläßt. Auch wenn in Deutschland nicht die Notwendigkeit einer wehrwirtschaftlichen Entwicklung vorhanden wäre, würde ein solches Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft gegeben sein. Dies zeigen all die Erscheinungen der letzten Jahre, während an die Erfüllung der vielen wehrwirtschaftlichen Aufgaben Deutschland erst in der Zukunft herangehen kann. Die deutsche Wehrwirtschaft wird in allem als Ausdrucksform der deutschen Friedenswirtschaft nur die staatliche Lenkung der Wirtschaft, nicht aber die staatliche Planwirtschaft bedeuten.

Die private Rüstungsindustrie muß bereits in Friedenszeiten bei ihrer Arbeit für die Wehrmachtsaufträge genau kontrolliert werden. Ausnutzung von Monopolstellungen und wirtschaftlichen Sonderrechten sind für die wehrwirtschaftliche Bedarfsdeckung unerwünscht. Die Wehrmacht habt daher für ihre gesamte Bedarfsdeckung eine einheitliche, große auftraggebende Organisation zu schaffen, um die Wirtschaftlichkeit des gesamten Beschaffungswesens jederzeit überprüfen und weiterentwickeln zu können und um andererseits der Industrie gegenüber nicht als mehrfacher Auftraggeber für Heer, Marine und Flugwaffe aufzutreten.

Ist eine umfangreiche staatliche Rüstungsindustrie vorhanden, so wird sie zum großen Teil einen wichtigen Teil des Wehrmachtsbedarfs in Friedenszeiten decken. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, muß sie ihre Produktionskapazität möglichst weit ausnützen. Dann können aber die vorhandenen Anlagen nicht weiter für den erhöhten Bedarf der Kriegswirtschaft ausgenützt werden. Notwendige Werkerweiterungen und Vermehrung der Belegschaft sind aber zeitraubend und kostspielig. Ein Ausweg ist eine weitgehende Ausfuhr von Wehrmachtsgeräten in Friedenszeiten an befreundete oder verbündete Staaten durch die staatliche Rüstungsindustrie.



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Guido Fischer (Wirtschaftswissenschaftler)

aus Wikipedia
       
Guido August Maria Fischer (1899 - 1983)

Nach seiner 1927 erfolgten Habilitation an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität München, wurde ihm dort 1934 eine außerordentliche Professur der Wirtschaftswissenschaften übertragen. Fischer – er war Mitglied der NSDAP, dazu im BNSDJ – war während des Zweiten Weltkriegs als Leiter des Arbeitsstabes „Gruppenpreise beim Oberkommando der Wehrmacht“ eingesetzt. 1944 wurde er wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ aus dem Universitätsdienst entlassen und zum Gefreiten degradiert.
1946 wurde Fischer in München zum außerordentlichen Professor sowie Leiter des von ihm gegründeten Instituts für Betriebswirtschaft und Sozialpraxis bestellt. Fischer, 1964 zum ordentlichen Professor ernannt, wurde 1968 emeritiert. Zusätzlich hatte Guido Fischer eine Gastprofessur an der Universität Kōbe inne. Guido Fischer, der seit 1949 die Zeitschrift Mensch und Arbeit herausgab, wurde mit dem Verdienstkreuz I. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland sowie mit der Bayerischen Staatsmedaille für soziale Verdienste ausgezeichnet.
Während sich der politisch national und katholisch gesinnte Guido Fischer im NS-Staat der Wehrwirtschaft, insbesondere der Preisbildung in einer staatlich gelenkten Wirtschaft zuwandt, galt in der Folge sein wissenschaftliches Hauptaugenmerk dem Personalwesen.

Schriften
  • Allgemeine Betriebswirtschaftslehre : Eine Einführung, 4. Auflage, Poeschel, Stuttgart, 1947.
  • Mensch und Arbeit im Betrieb : Ein Beitrag zur sozialen Betriebsgestaltung, 2. erweiterte Auflage, Poeschel, Stuttgart, 1949.
  • Christliche Gesellschaftsordnung und Sozialpraxis des Betriebes, Kerle, Heidelberg, 1950.
  • Betriebliche Marktwirtschaftslehre, 2. erweiterte und neubearbeitete Auflage, Quelle & Meyer, Heidelberg, 1961.
  • Politik der Betriebsführung, Poeschel, Stuttgart, 1962.
  • Die Beteiligung von Mitarbeitern : Unternehmer stellen vor, wie ihre Mitarbeiter zu Mitunternehmern wurden; 12 Praxisbeispiele, Schilling-Verlag für Informationstechnik, Herne, 1973.
  • Der Betrieb : Institution menschlicher Ordnung, Edition Interfrom, Zürich 1975.
https://de.wikipedia.org/wiki/Guido_Fischer_(Wirtschaftswissenschaftler)



vgl. auch Fritz Nonnenbruch (in: "Politik, Technik und Geist", 1939)

„Die Möglichkeiten der Kriegstechnik werden durch Geschützkonstruktionen usw. bei weitem nicht erschöpft. Nur eine totale Politik kann die Voraussetzungen schaffen, daß alle Möglichkeiten der Kriegstechnik erschöpft werden.  … Wo viele Vorbedingungen zu erfüllen sind, ergeben sich Unterschiede in ihrer Erfüllung. Die einen Völker erfüllen sie alle und vollständig, die anderen erfüllen sie in weniger ausgeprägter Vollständigkeit, wieder andere erfüllen nur einige mehr oder weniger erschöpfend. ...
Wie die Völker aber diese Vorbedingungen erfüllen, hängt ab von ihrem Schöpfertum und von ihrer rassischen Nähe zur Technik. Die gleiche seelisch-geistige Nähe, die die Völker als Gesamtpersönlichkeiten zur Technik haben, werden auch ihre Soldaten haben."http://zettelmaus.blogspot.com/2012/05/wunderbare-kriegstechnik.html


Nachkriegskarriere im Bereich Personalmanagement machte (ähnlich wie Guido Fischer) auch Reinhard Höhn.
Prof. Dr. Reinhard Höhn, gehörte zu den einflussreichsten Juristen der NS-Zeit. Nach dem Krieg gelang ihm eine bemerkenswerte weitere Karriere als Managementberater und –lehrer.
(
Dr. Hans-Christian Jasch; http://www.spd-berlin.de/termine/2012-juni/12-06-12-s-z-kleistgrab/?cy=2012&cm=6 , zitiert auf https://guttmensch.blogspot.cok/2013/02/stoff-aus-den-fuehrerschulen.html
 

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US-Offizier Wedemeyer nahm um 1936 an einem amerikanisch-deutschen militärischen Austauschprogramm teil. Er belegte Kurse an der neu eröffneten Kriegsakademie in Berlin und war besonders angetan von dem Unterricht über den Zusammenhang von wirtschaftlicher Macht und dem Potenzial zur Kriegsführung

"At that time, the United States and Germany had a reciprocal agreement whereby their respective armies exchanged staff college students, and the Leavenworth commandant, impressed by Wedemeyer's performance and noting from his record that he had studied German, recommended him for attendance at the German staff college, the Kriegsakademie.  ...
Wedemeyer appreciated the relationship of economic power to war potential and was impressed with the German understanding of the role of war as an instrument of national policy."

(Anm.: "Wehrwirtschaft" stand demnach offenbar auf dem Stundenplan der Kriegsakademie)   

Charles E. Kirkpatrick: An Unknown Future and A Doubtful Present: Writing the Victory Plan of 1941. Center of Military History, United States Army, Washington, D.C., 1992 http://www.ibiblio.org/hyperwar/USA/USA-Victory/USA-Victory-1.html

zitiert auf
http://zettelmaus.blogspot.com/2012/05/condor-und-condor.html


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... Über Chuck Hagel, Frederick M. Downey und andere steht das Atlantic Council der Aufrüstungs-Initiative "Second to None" nahe, für die sich die Aerospace Industries Association (AIA) engagiert.
Aus einem Vortrag von AIA-Vetreter Downey bei einer Kongress-Anhörung vom 24.10.2011: “I think most Americans would agree that the 20th century was defined by aerospace, and that it was largely our century because we were second to none in aerospace. ...If ... the defense budget continues to be cut, the capability to deliver critical militarily unique systems will atrophy and the capability our troops and the American people expect might not
be available. We have to have the capability to design, develop, produce and support complex systems. And that requires having programs to work on. ..."
https://www.gpo.gov/fdsys...
Er plädiert dafür, dass die militärische Industrie eine kritische Masse an Programmen haben muss, an denen sie arbeiten kann, damit sie nicht weiter schrumpft. ...

#3.79 auf
http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-04/sean-spicer-adolf-hitler-vergleich-baschar-al-assad-giftgas?cid=12493953#cid-12493953

Zur "wehrwirtschaftlichen" Argumentation des Rüstungslobbyisten Downey und der Initiative "Second to None" siehe auch http://zettelmaus.blogspot.co.ke/2013/11/koalitionsverhandlungen-bleibt.html


 

Montag, 10. April 2017

Dresden

... Es ist keine gute Idee, wenn Nazi-Aufmärsche zur Instrumentalisierung von Jahrestagen von Städtebombardierungen mit demonstrativ fröhlichen Feiern gekontert werden, oder der lustige Slogan „Bomber Harris do it again“ aus der antifa-Mottenkiste gekramt wird (siehe z.B. http://www.focus.de/polit...).

Prompt tauchte das Bomber-Harris-Zitat in der „Schuldkult“-Rede von AfD-Kandidat Jens Maier auf, die er als Vorrede zu einem Höcke-Auftritt hielt. Über besagte Rede siehe z.B. http://www.zeit.de/gesell... ; den gesamten Redetext samt Bomber-Harris-Zitat findet man auf Webseiten, die mit Maiers Rede sympathisieren.

Trauer bei der Erinnerung an die Bombardierung von Dresden und anderer Städte mit Nazi-Sympathisantentum gleichzusetzen, gräbt Höcke und Gleichgesinnten nicht das Wasser ab, sondern gießt Wasser auf ihre Mühlen.

#3.23
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-04/parteiausschlussverfahren-bjoern-hoecke-afd-nationalsozialismus?cid=12463322#cid-12463322



Zitat aus dem in #3.19 verlinkten SPIEGEL-Interview:
"In Pforzheim etwa starb binnen einer Nacht fast ein Viertel der Bevölkerung, dort gab es Leid in einer ganz anderen Dimension, das aber heute außerhalb der Region weitgehend vergessen ist."

"... außerhalb der Region weitgehend vergessen" (im Gegensatz zu Dresden), das mag ja sein. Und innerhalb der Region?
Wenn man "Pforzheim" und "Nazi" googelt, bekommt man eine Fülle von Links, die auf eine lange lokale Tradition von Rechtsextremismus und -populismus hindeuten; oft in Verbindung mit Jahrestagen der Bombardierung.

Rechtsextremismus-Sympathisantentum bis in die Mitte der Gesellschaft hinein einerseits, antifa-Rigorismus gegenüber jeglicher Einbeziehung der Bombenopfer in ein trauerndes Gedenken andererseits könnten über lange Zeit eine spaltende Wirkung gehabt haben. - Siehe z.B. https://www.antifainfobla...

Heute:
Die 120 000-Einwohner-Stadt ist eine Hochburg der AfD. Sie knüpfte damit an eine lange Tradition rechtsextremer Parteien in Pforzheim an ...
http://www.stuttgarter-ze...
44 Prozent für die AfD ... im Pforzheimer Stadtteil Haidach. ...
http://www.swr.de/swraktu...

#3.25 (Link wie oben)